20 Tonnen Präzisionstechnik exakt positionieren

2023-01-10 17:58:15 By : Mr. Hason Zheng

Am KIT (Karlsruher Institut für Technologie) haben in einem gemeinsamen Projekt das Institut für Photonik und Synchrotronstahlung (IPS) und das Institut für Mikrostrukturtechnologie (IMT) für die Synchrotron-Strahlungsquelle ANKA (Angströmquelle Karlsruhe) ein neues System zur Röntgenmikroskopie und Qualitätssicherung bei röntgenoptischen Elementen entwickelt, kurz MiQA Station genannt (X-Ray Microscope and Quality Assurance Station). Unterstützung bei der Realisierung fanden sie bei den Beamline-Experten von Physik Instrumente (PI).

Um die Forschung voranzubringen, ist das MiQA-System (Bild 1) sehr flexibel ausgelegt, damit eine möglichst breite Palette an Experimenten rund um Röntgenmikroskopie und Untersuchungen an röntgenoptischen Elementen möglich ist. Die Flexibilität stellt allerdings auch besondere technische Herausforderungen. So müssen beispielsweise die röntgenoptischen Elemente wie Linsen, Gitter, Detektor und auch die Probe mit höchster Präzision und Langzeitstabilität positioniert werden, um hochauflösende Messungen im Röntgenstrahl zu ermöglichen.

Dazu gilt es, etwa 60 ganz unterschiedlich motorisierte Achsen feinfühlig zu regeln und aufeinander abzustimmen. Als Industriepartner für die Umsetzung dieser Aufgabe holte sich das KIT deshalb die Karlsruher Firma Physik Instrumente ins Boot, mit deren Unterstützung die Maschine detailliert, gebaut und in Betrieb genommen wurde.

Das rund 20 Tonnen schwere System ist modular aufgebaut. Die Basis hat ein Grundvolumen von 4900 mm × 2200 mm × 600 mm und besteht aus Granit. Die ausfahrbaren Maschinenfüsse ermöglichen eine Grobausrichtung der gesamten Maschine (Tip/Tilt/Z) mit einer Auflösung von besser als 100 Mikrorad. Dabei werden für die seitliche Feinausrichtung (Gieren) die Maschinenfüsse mit Druckluft versorgt und schweben somit auf Luftkissen.

Triangulationssensoren helfen beim Einstellen dieser Luftkissen. Trotz seines hohen Gewichts lässt sich das System einfach transportieren und an andere Einsatzorte verlegen. Dazu werden die Maschinenfüsse eingezogen, die an der Unterseite angebrachten Hoverpads aktiviert, und MiQA schwebt quasi an den neuen Einsatzort. Um den Umzug zu vereinfachen, stellt die Maschinenbasis auch die gemeinsame elektrische Schnittstelle des gesamten Messsystems zur übergeordneten Beamlinesteuerung zur Verfügung.

Kurz erklärt: Das MiQA (Microscopy and Quality Assurance)-System von PI. Das System, bestehend aus Hexapoden, Rotationstischen, Goniometern und einer speziellen Sample Stage. (Quelle: Youtube-Kanal Physik Instrumente)

Die Maschinenbasis ist für die Positionierung von insgesamt sechs röntgenoptischen Elementen ausgelegt. Für höchste Flexibilität ist jedes Element auf einem eigenen Positioniermodul platziert, das unabhängig von den anderen Modulen auf drei massiven, parallelen Schienen entlang des Strahlengangs verfahren kann. Die Module werden von Linearmotoren angetrieben und gleiten auf Luftlagern.

Für die Positionsrückmeldung sind Absolutwertgeber integriert und der maximale Verfahrbereich beträgt 2800 mm. Das zentrale Probenmodul transportiert die jeweilige Probe dann entlang des Strahlengangs über einen Verfahrbereich von 3500 mm. Um während eines Experiments grösstmögliche Stabilität zu gewährleisten, kann jedes Modul einzeln von der Luftzufuhr abgeschnitten werden, so dass es fest auf seiner Schiene sitzt und somit die Position unverrückbar hält.

Vier weitere Module dienen zur Positionierung von Röntgenlinsen und -gittern. Hier sind Hexapoden die treibende Kraft (Bild 2) für die präzise Ausrichtung mit sechs Freiheitsgraden. Da Hexapoden parallelkinematische Systeme sind, kann das Rotationszentrum durch Softwarebefehle beliebig eingestellt werden, um den Fokus des röntgenoptischen Elements anzupassen. Dies beschleunigt die Ausrichtvorgänge erheblich.

Bild 2: Hexapoden richten die Röntgenoptiken in bis zu sechs Achsen aus. Zusätzliche Goniometer ermöglichen eine Rotation um den Strahlengang. (Bild: PI)

Zwei dieser optischen Röntgenmodule sind zusätzlich mit Goniometern und Piezoscannern ausgestattet, um einen grossen Winkelbewegungsbereich um die Strahlachse sowie eine Phasenabtastung von beispielsweise Röntgengittern im Nanometerbereich zu ermöglichen. Sie lassen sich bei Bedarf auf jedem der Hexapoden anbringen. Bei einem Wechsel müssen keine Kabel neu verlegt werden, da entsprechende Anschlüsse in jedem der Module integriert sind. Ausserdem erkennt die Maschinensoftware automatisch, wo die Baugruppen montiert sind.

Das Detektorportalmodul positioniert die Kamera mit der Detektoroptik in drei Freiheitsgraden. Hohe Steifigkeit und Stabilität garantiert hier ebenfalls ein parallelkinematisches System. Es stellt zwei laterale Freiheitsgrade senkrecht zum Strahl und einen Rotationsfreiheitsgrad um die Strahlachse bereit. Der Rotationsmittelpunkt kann auch hier per Software beliebig eingestellt werden, um ihn an die Detektorgeometrie anzupassen. Da der vom KIT verwendete Detektor gross und schwer (ca. 60 kg) ist, wurde das parallelkinematische Positioniersystem so konstruiert, dass es hohe Präzision bei gleichzeitig hoher Stabilität gewährleistet.

Bild 3: Die Positioniermechanik des Probenmoduls: Der Hexapod mit sechs aktiven Streben und sechs redundanten Streben zur Positionsrückmeldung sitzt darunter. Oben sind die Goniometer-Führungen und die Ausrichtung in X-, Y- und Z-Richtung sowie die Drehtisch-Einstellung sichtbar. (Bild: PI)

Das Herzstück des Systems ist das Probenmodul (Bild 3), das verschiedene experimentelle Schemata ermöglicht. Es ist ebenfalls auf hohe Steifigkeit, Stabilität und Präzision ausgelegt. Von unten nach oben sind ein Hexapod, ein Goniometer, eine Rotationsachse mit Luftlager und ein dreiachsiger Nexline Piezowalk-Positionierer übereinander gestapelt. Der Schwerlasthexapod erlaubt die Ausrichtung in sechs Freiheitsgraden mit beliebigem Rotationszentrum.

Bei seiner Konstruktion musste berücksichtigt werden, dass neben der Probe etwa 250 kg Positionierungsgeräte mitgeführt werden müssen. Eine solche Belastung führt zwangsläufig zu Gelenkverformungen, die eine Wiederholbarkeit im Submikrometerbereich unmöglich machen.

Um diese Herausforderung zu meistern, wurden sechs zusätzliche und unbelastete, mit Absolutwertgebern ausgestattete Beine ausschliesslich zur Messung der Position der obersten Plattform eingesetzt (Bild 4). Ein separater äusserer Regelkreis kompensiert dann die Verformungen der Antriebsbeine des Hexapoden auf Basis der von den Messbeinen gesammelten Daten. Die Wiederholgenauigkeit des Hexapods ist dadurch besser als 100 Nanometer.

Das grosse Goniometer auf dem Hexapod ermöglicht die Verkippung einer flachen und ausgedehnten Probe im Strahl und damit ihre Charakterisierung mit laminographischen Methoden. Ihr Verfahrbereich beträgt 0° bis 60° um die Strahlachse. Zur Erhöhung der Stabilität und Reproduzierbarkeit ist sie mechanisch mit zusätzlichen Motoren vorgespannt, die dem eigentlichen Goniometerantrieb entgegenwirken. Die Grösse der aufgebrachten Kraft hängt vom Neigungswinkel ab, unter Berücksichtigung der Massenverteilung der Struktur und der Position der Baugruppe darüber.

Der tatsächliche Rotationsfreiheitsgrad für die Tomographie wird mit einem hochpräzisen Luftlager erreicht. Die gemessene Abweichung der Probenposition 100 mm über der Stage beträgt weniger als 85 nm bis 130 nm, abhängig vom Neigungswinkel des Goniometers darunter. Dies wird durch sorgfältige Konstruktion und präzise Abstimmung der dem Lager zugeführten Druckluft erreicht. Auf die Rotationsstufe ist ein dreiachsiges Positioniersystem montiert, das der Fehlerkompensation der Rotationsstufe in drei Freiheitsgraden und zur Probenausrichtung dient.

Treibende Kraft sind hier Nexline Piezowalk-Antriebe, die sich durch besonders hohe Steifigkeit und Vorschubkräfte von mehreren 100 N auszeichnen. Sie können Fehler im Bereich weniger Mikrometer mit Nanometerauflösung dynamisch kompensieren, sind für Positionier- und Haltekräfte von bis zu 800 N ausgelegt und arbeiten bei niedrigen Geschwindigkeiten. In der Anwendung wurden Nexline-Tische mit Kreuzrollenlagern eingesetzt, um bei vergleichsweise grossen Verfahrwegen höchste Steifigkeit und Auflösung zu gewährleisten. Mit einer Auflösung von weniger als 10 nm ist auch ein Probenscan für STXM (scanning transmission X-ray microscopy) bzw. Ptychographie möglich.

Autoren: Dr. Markus Simon, Bereichsleiter System Consulting bei der PI miCos GmbH, und Ellen-Christine Reiff, M.A., Redaktionsbüro Stutensee

Publiziert von Technik und Wissen (ea)